Das Seekabel Ostpreußen

kam in Tenkitten an Land:

Das Seekabel Ostpreussen

Die schwerste Wunde, die dem Deutschen Reich durch den Versailler Vertrag geschlagen worden ist, war die Zerreißung Deutschlands in zwei Teile, mithin die Lösung Ostpreußens vom Reich. Ohne jede Rücksicht auf die geschichtliche kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung trennte die Versailler Friedensmacher die östliche Provinz durch einen breiten Korridor vom Mutterland ab. Dabei konnte man noch von Glück sagen, daß sich die Engländer den maßlosen Forderungen Polens widersetzten und wenigstens in einigen Teilen West- und Ostpreußens Volksabstimmungen durchsetzten. Sogar US-Präsident Wilson überkam im April 1919 die späte Einsicht: "Das einzig wahre Interesse Frankreichs an Polen besteht in der Schwächung Deutschlands, indem Polen Gebiete zugesprochen werden, auf die es kein Anrecht besitzt". Um dem entstehenden polnischen Staat einen Zugang zum Meer zu geben, wurde die Lebenseinheit eines 65-Millionen-Volkes im damaligen Reich zerschnitten und das deutsche Danzig nebst seinem Umland zu einem "Freistaat en miniature" gemacht, Dinge, die mit heutigen Völker-rechtsgrundsätzen unvereinbart sind.

Als am 28.Juni 1919 die Mehrheit der deutschen Nationalversammlung in Weimar das Friedensdiktat der Siegermächte annahm, wurde aus Unrecht geltendes Recht. Polen konnte sich nun in dem nördlichen Verbindungsstück zwischen Ostpreußen und der Mark Brandenburg häuslich einrichten, in einem Gebiet, das als ehemaliges Deutschordensland im Jahre 1772 in den preußischen Staatsverband zurückgekehrt war. Damit war aber die sichere Benutzung des feinmaschigen Netzes von Wirtschafts- und Verkehrseinrichtungen zwischen dem Altreich und Ostpreußen nicht mehr gewährleistet. Auf Veranlassung der Siegermächte wurde daher zwischen Deutschland, der Freien Stadt Danzig und Polen am 16.Februar 1921 ein Abkommen geschlossen, das den freien Durchgangsverkehr regeln sollte, in erster Linie betraf es den Eisenbahnverkehr.

Neben dem gewöhnlichen Durchreiseverkehr mit Paßzwang und Zollrevision bestand auf den Strecken Lauenbrück - Danzig - Marienburg sowie Konitz-Marienburg ein privilegierter Durchgangsverkehr. Für die von polnischen Eisenbahnern geführten Transitzüge mit deutschen Wagen, aber polnischen Lokomotiven, bestand weder Paßzwang noch Zollkontrolle, Türen und Fenster mußten allerdings auf den Korridorbahnhöfen geschlossen bleiben. Schwierig war es für Reisende, die von Pommern über Lauenburg visumfrei nach Danzig fahren wollten. Sie durften aus dem Transitzug in Danzig nicht aussteigen, sondern mußten weiterfahren nach Marienburg und von dort auf der gleichen Strecke zurück nach Danzig, was immerhin einen Umweg von 120 Kilometern ausmachte.

Noch komplizierter gestaltete sich der Sachverhalt bei Militärzügen, wenn im Altreich stationierte Truppenverbände an den Manövern in Ostpreußen teilnahmen. Nach vierzehntägiger Vorankündigung durften dann täglich höchstens drei Züge den Korridor durchqueren, aber niemals zwei Züge sich gleichzeitig dort befinden. Die Fahrten mußten bei Tageslicht erfolgen, die Waffen in besonders bewachten Waggons befördert werden. Während der Fahrt durch den Korridor unterstanden die deutschen Soldaten polnischen Strafgesetzen. Letzten Endes stellten die polnischen Hoheitsrechte über die deutschen Eisenbahnverbindungen nach Ostpreußen einen unhaltbaren Zustand dar. Erst als es gelang, den Seedienst Ostpreußen mit eigenen Schnellschiffen großzügig auszubauen, verloren die souveränitätseinengenden polnischen Bahnvorschriften die Wirkung eines beliebigen Druckmittels gegen Deutschland.

Eine ähnlich unbefriedigende Situation wie im Eisenbahndurchgangsverkehr zeigte sich auch bei den Telefonverbindungen zwischen beiden Teilen des Reiches. Auch dort sollte das Meer verbinden, was zu Lande getrennt war. Mit der Einrichtung des ersten Selbstwählamtes durch Siemens & Halske in München hatte in Deutschland die Automatisierung des Fernsprechverkehrs begonnen. Eine deutliche Sprachverständigung war aber nur bis zu einer Entfernung von 34 Kilometern möglich. Erst der nachrichtentechnische Fortschritt während des Ersten Weltkrieges erlaubte in rascher Folge die Überbrückung immer größerer Entfernungen. Im Wettbewerb mit der stetig leistungsfähiger werdenden drahtlosen Löschfunkentelegrphie des aus Königsberg stammenden Professors Max Wien wurden auch die Fernsprechkabel immer länger. Für den störungsfreien Telefonverkehr nach Ostpreußen kam für die Reichspost- und Telegrphenverwaltung nur ein in der Tiefe der Ostsee verlegtes Seekabel in Frage. Im Unterschied zu den in ausgehobenen Erdgruben verlegten Landkabelleitungen wurden die Seekabel unmittelbar vom Schiff aus ins Wasser verlegt. Die Schichauwerft in Elbing hatte bereits im Jahre 1905 für die Norddeutschen Kabelwerke den Kabeldampfer "Großherzog von Oldenburg" gebaut. Seekabel waren also eine altbekannte Einrichtung, wobei jedoch zu bemerken ist, daß die früheren Seekabel nur der Telegraphie, nicht jedoch der Telekommunikation dienten.

Ein Kabel besteht aus einer biegsamen Kupferleitung, umgeben von einer Schutzhülle gegen mechanische oder chemische Beschädigung. Mehrere Dutzend sehr dünne, gegeneinander isolierte Kupferdrähte bilden bei einem Fernsprechkabel den stromführenden Teil. Wenn das Seekabel nach Ostpreußen seine Aufgaben als Ersatz für die unsichere Korridor-Landkabelleitung möglichst vollkommen erfüllen sollte, mußte es als kombinierte Fernsprech- und Telegraphenleitung eingerichtet werden, daß heißt, mehrere Leiterbündel enthalten, die zum Schutz gegen den Wasserdruck in einen Bleimantel eingebettet waren. Der Durchmesser des Seekabels betrug 52 Millimeter, das Gewicht 11 Kilogramm pro Meter.

Welche Lage sollte nun das zwischen der pommerschen und der ostpreußischen Küste zu verlegende Seekabel einnehmen? Als östlichen Landungspunkt wählte man schließlich Tenkitten, etwa 10 Kilometer nördlich von Pillau. Im Westen erreichte das Kabel bei Leba den Ostseestrand. Zwischen beiden Punkten waren 170 Kilometer Entfernung zu überbrücken. Der weiteste Abstand zur Seeküste betrug 60 Kilometer, die größte Tiefenlage des Kabels in der See lag bei 110 Metern. An das Seekabel schlossen sich beiderseits oberirdische Leitungen an, im Osten zunächst nach Königsberg, in Leba nach Berlin und Stettin, den vorläufigen Betriebsämtern für die neuen Verbindungen.

Nach sorgfältigen Planungsvorbereitungen konnte das im August 1920 fertiggestellte Ostpreußenkabel für die Telekommunikation freigegeben werden, es war das seinerzeit längste Fernsprech-Seekabel der Welt. Die Reichspostverwaltung hatte keine Kosten gescheut, das kombinierte Fernsprech- und Telegraphenkabel zu installieren, dessen Schutz außerhalb der Küstengewässer ein internationaler Kabelschutzvertrag regelte. Trotz aller Fährnisse hatte die deutsche Industrie ein glänzendes Zeugnis ihrer technischen Leistungsfähigkeit geliefert. Gar zu gerne man die triumphalen Ergebnisse in den Abstimmungsgebieten vom 11.Juli 1920 über das neue Seekabel nach Berlin mitgeteilt, aber die Fertigstellung hatte sich unprogrammgemäß um drei Wochen verzögert.


Strandhalle Tenkitten: In der Nähe erreichte das Seekabel das ostpreußische Festland

In den ostpreußischen Randgebieten bereiteten die Zwangsgrenzen von Versailles außerordentliche strukturelle Schwierigkeiten. Zwar hatte die Botschafterkonferenz in Paris nach dem Abstimmungssieg in den Bezirken Marienwerder und Allenstein die beiden Gebiete Deutschland zugesprochen, gleichzeitig jedoch empfindliche Grenzberichtigungen zuungunsten des Reiches festgelegt. Entgegen der Bestimmung im Artikel 30 des Versailler Vertrages setzte die Botschafterkonferenz die Grenze zwischen Ostpreußen und Polen nicht wie international üblich in der Strommitte der Weichsel fest, sondern auf dem rechten Ufer. Außerdem gliederte man einige rechts der Weichsel gelegene deutsche Dörfer dem polnischen Staat ein und als Krönung der widersinnigen Grenzziehung bestand der einzige Ostpreußen zugesicherte "Zugang zur Weichsel" aus einem vier Meter breiten Weg bei Kurzebrack, der überdies von Polen kontrolliert wurde.

Abdruck aus dem Ostpreußenblatt vom 18.Dezember 1999 Seite 12 "Die Verbindung zum Reich stand trotzdem"

Nachtrag

Durch die Abtrennung Ostpreußens vom Reich durch den »Polnischen Korridor« mußte eine unabhängige und leistungsfähige Nachrichtenverbindung geschaffen werden. Es wird daher zwischen Leba (Pommern) und Tenkitten (Ostpreußen) ein Seekabel mit 6 Doppeladern (9 Stromkreisen) und 3 Telegraphie - Einzeladern über eine Länge von 170 km, ausgelegt.
(http://www.deutsches-telefon-museum.eu/1900.htm)
Hergestellt wurde das Kabel von der Firma "Felten & Guilleaume". Verlegt wurde es mit dem Kabelleger "Randulf Hansen"über die Reederei "Neptun" aus Bremen. An Land gezogen wurde es auch mithilfe von Pferden, u.A. des Tenkitter Bauers Klehn. Zum Betrieb wurde eigens das "Verstärkeramt" in Tenkitten errichtet. Die notwendige Stromerzeugung erfolgte über Diesel-Generatoren.

Verlegung des Kabels


In Hinterpommern, in Leba, ging es los! Die "Randulf Hansen" der Reederei "Neptun" verlegte das Kabel 170 km weit durch die Ostsee ...


... bis hier nach Tenkitten, neben Strandhalle und "Kreuzwäldchen", kam das Kabel an Land ...


... wurde mit einer Schute vom Kabelleger "Randulf Hansen" herübergebracht und dann ...

... von den Arbeitern, auch mithilfe von Pferdegespannen, immer weiter an Land gezogen ...

... den "Schlangenweg" entlang, an meinem späteren Geburtshaus vorbei ...

... bis es beim "Verstärkeramt" in Tenkitten angekommen war! Im linken Flügel des hinteren Gebäudes stand der Dieselgenerator, der Tag & Nacht lief. Hinter dem Gebäude stand die Verteilerstation. Von dort ging es dann - mit Telefonmasten und -Drähten - Richtung Königsberg und von dort in alle Orte Ostpreußens!

Erster Anruf 1920 in Königsberg: Postminister Giesberts ruft Präsident Ebert in Berlin an! Herr Ebert? Können Sie mich hören? Ich rufe aus Keenichsberch an!

Übrig blieb ein Rest von ca. 80 km Kabel. Die wollte später die Nazi-Regierung dazu benutzen, bei der beabsichtigten Invasion Englands, den Ärmelkanal zu überqueren. Siehe "Weisung Nr. 16" aus dem "Führerhauptquartier" vom August 1940 für die Operation "Seelöwe":
::
4) Die notwendigen Vorbereitungen für die Nachrichtenverbindungen von Frankreich nach dem englischen Festland trifft der Wehrmacht-Nachrichtenchef.
Der Einbau der restlichen 80 km Ostpreußen-Kabel ist in Verbindung mit der Kriegsmarine vorzusehen.
::

Ja, ja, die Vorsehung! Von der wurde damals dauernd, besonders vorm "Endsieg" schwadroniert ... [Weisung Nr.16..]:
Bilderquelle(die beiden letzten Fotos): www.deutschefotothek.de

Bilder aus heutiger Zeit ~ Sommer 2017:

Wo das Verstärkeramt stand, steht heute dieses Haus!

Dahinter stehen die Überreste der Verteilerstation ...

... allerdings: Betreten verboten!